Sachverhalt:
Dem Verfassungsgerichtshof
Rheinland-Pfalz liegen drei Vorlagebeschlüsse des Verwaltungsgerichts Neustadt
an der Weinstraße vom 13.05.2019 vor (Stadt Pirmasens – Finanzausgleich 2014
und 2015 und Landkreis Kaiserslautern – Finanzausgleich 2015), deren Gegenstand
die Frage ist, ob das Landesfinanzausgleichsgesetz 2014 mit dem in der
Landesverfassung verankerten Recht der Kommunen auf eine angemessene
Finanzausstattung (Art. 49 Abs. 6) vereinbar ist – so genanntes konkretes
Normenkontrollverfahren.
Neben der Landesverfassung gewährt auch das Grundgesetz den
Kommunen einen Anspruch auf angemessene Finanzausstattung gegen das Land (Art.
28 Abs. 2 Satz 2).
Es steht jedoch nicht in der Kompetenz des
Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz, auch die Vereinbarkeit des
Landesfinanzausgleichsgesetz 2014 mit dem Grundgesetz zu überprüfen. Diese
Kompetenz steht ausschließlich dem Bundesverfassungsgericht zu.
Die Stadt Pirmasens und der Landkreis Kaiserslautern haben
daher die Möglichkeit, zusätzlich zu den beim Verfassungsgerichtshof
Rheinland-Pfalz anhängigen konkreten Normenkontrollverfahren beim
Bundesverfassungsgericht Kommunalverfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b
Grundgesetz/GG, § 91 Bundesverfassungsgerichtsgesetz/BVerfGG) gegen das
Landesfinanzausgleichsgesetz 2014 in Gestalt des Änderungsgesetzes 2018
einzulegen. Diese beiden Rechtsschutzmöglichkeiten stehen nebeneinander. Sie
„sperren“ sich grundsätzlich nicht.
Der Anspruch der Kommunen gegen das Land auf eine angemessene
Finanzausstattung gemäß Landesverfassung (Art. 49 Abs. 6) steht dem
Verfassungsgerichthof Rheinland-Pfalz zufolge unter dem Vorbehalt der
Leistungsfähigkeit des Landes (Urteil vom 14.02.2012, VGH N 3/11 –
„Neuwied-Urteil“).
Der Anspruch, den das Grundgesetz (Art. 28 Abs. 2 Satz 2) den
Kommunen auf angemessene Finanzausstattung gegen das Land gewährt, geht
hingegen weiter, so jedenfalls das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom
31.01.2013, 8 C 1.12 – sog. „Malbergweich-Urteil“): Den Kommunen stehe gegen
das Land ein Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung zu, und zwar
unabhängig von der Finanzkraft des Landes.
Das Bundesverfassungsgericht selbst hat sich zu dieser Frage
noch nicht ausdrücklich geäußert. Auffällig ist jedoch, dass es in seinen
(aktuellen) Entscheidungen stets den Anspruch der Kommunen gegen die Länder auf
eine angemessene Finanzausstattung ohne den einschränkenden Hinweis der
entsprechenden Leistungsfähigkeit der Länder erwähnt (BVerfG, Urteil vom
19.09.2018, 2 BvF 1/15; BVerfG, Urteil vom 21.11.2017, 2 BvR 2177/16; Beschluss
vom 19.11.2014, 2 BvL 2/13).
Durch die zusätzliche Einlegung einer
Kommunalverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht eröffnet sich der
Landkreis eine weitere Möglichkeit, dass das Landesfinanzausgleichsgesetz
verfassungsgerichtlich beanstandet wird.
Im Vergleich zu dem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof
Rheinland-Pfalz hätte ein solches Verfahren das Landesfinanzausgleichsgesetz in
seiner aktuellen Fassung, also in der Gestalt des Änderungsgesetzes 2018, zum
Gegenstand. Zudem besteht die Möglichkeit, dass das Bundesverfassungsgericht
den Kommunen einen stärkeren Anspruch (ohne den einschränkenden Hinweis der
entsprechenden Leistungsfähigkeit der Länder) zusprechen wird als der
Verfassungsgerichthof Rheinland- Pfalz (s.o.).
Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz wird vermutlich
als erster zu entscheiden haben, denn sein Verfahren ist das ältere. Zwar steht
es ausschließlich in seiner Kompetenz, über die Vereinbarkeit des
Landesfinanzausgleichsgesetzes 2014 mit der Landesverfassung zu urteilen.
Sollte er jedoch zu Ungunsten der Kommunen entscheiden und das
Landesfinanzausgleichsgesetz 2014 nicht beanstanden (wie er es bereits in den
u. a. von der Stadt Pirmasens und dem Landkreis Südliche Weinstraße
angestrengten abstrakten Normenkontrollverfahren unter Verweis auf formale
Gründe getan hat, Beschluss vom 30.10.2015, VGH N 28), müsste er damit rechnen,
dass das Bundesverfassungsgericht in einer nachfolgenden Entscheidung das
Landesfinanzausgleichsgesetz 2014 (in Gestalt des Änderungsgesetzes 2018) – in
Bezug auf das Grundgesetz – sehr wohl als verfassungswidrig einordnet.
Sollte der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hingegen
urteilen, dass das Landesfinanzausgleichsgesetz 2014 verfassungswidrig ist,
bestünde aller Voraussicht nach keine Notwendigkeit mehr, eine
Kommunalverfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht weiter zu
verfolgen. Eine solche könnte dann zurückgenommen werden.
Kommunalverfassungsbeschwerden gegen
ein Gesetz müssen binnen eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes erhoben
werden (§ 93 Abs. 3 BVerfGG). Das Änderungsgesetz 2018 ist im Gesetz- und
Verordnungsblatt vom 15.10.2018 verkündet worden. Es ist teilweise rückwirkend
zum 01.01.2018 in Kraft getreten. Gegen Gesetze, die rückwirkend in Kraft
getreten sind, muss eine Kommunalverfassungsbeschwerde binnen eines Jahres ab
Gesetzesverkündung (hier also 15.10.2019) erhoben werden.
Allerdings besteht das Risiko, dass das
Bundesverfassungsgericht eine Kommunalverfassungsbeschwerde mit der Begründung
abweist, dass man nicht isoliert gegen das Änderungsgesetz 2018 vorgehen darf,
sondern das Landesfinanzausgleichsgesetz 2014 selbst unmittelbar mit einer
Kommunalverfassungsbeschwerde hätte angegriffen werden müssen. Dieses Risiko
ist hoch. In Bezug auf das Landesfinanzausgleichsgesetz 2014 selbst ist die
einjährige Beschwerdefrist lange abgelaufen.
Sollte sich dieses Risiko realisieren, hätte dies allerdings
keinen negativen Einfluss auf das Verfahren beim Verfassungsgerichtshof
Rheinland-Pfalz.
Alle Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sind
gerichtsgebührenfrei (§ 34 Abs. 1 BVerfGG). Erweist sich eine
Kommunalverfassungsbeschwerde als begründet, sind dem Beschwerdeführer die
notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten (§ 34a Abs.
2 BVerfGG).
Unter „notwendigen Auslagen“ sind insbesondere die
gesetzlichen Anwaltsgebühren zu verstehen, nicht jedoch darüber hinausgehende
Anwaltskosten, die gemäß einer Honorarvereinbarung entstehen. Erweist sich eine
Kommunalverfassungsbeschwerde als unbegründet, muss der Beschwerdeführer –
anders als nach sonstigem Prozessrecht – den anderen Verfahrensbeteiligten
keine Kosten erstatten.
Unabhängig von diesen Regelungen des
Bundesverfassungsgerichtsgesetzes kann der Landkreis beim Land den Antrag
stellen, dass die Kommunalverfassungsbeschwerde als Musterprozess anerkannt
wird (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 Landesfinanzausgleichsgesetz). Die Anerkennung steht im
Ermessen des Landes. Bei anerkannten Musterprozessen ersetzt das Land
unabhängig vom Verfahrensausgang ganz oder zumindest anteilig die
Verfahrenskosten. Es steht im Ermessen des Landes, auch Anwaltskosten, die über
die gesetzlichen Gebühren hinausgehen, als erstattungsfähig anzuerkennen.
Die Verfassungsbeschwerde wurde im Übrigen vom Deutschen Landkreistag (DLT) mit Blick auf ein landes- und bundesweiten Klageinteresses angeregt und würde im Beschwerdefall vom geschäftsführenden Präsidialmitglied des DLT, Herrn Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, eng juristisch begleitet werden.
Zudem hat die Stadt Pirmasens
bzw. der Landkreis Kaiserslautern bei seinem jeweiligen Kommunalen
Spitzenverband (Städtetag/Landkreistag) angefragt, ob sich dieser, falls keine
oder keine vollständige Erstattung von anderer Seite erfolgt, an den
Verfahrenskosten beteiligt. Eine Antwort steht noch aus.
Beschlussvorschlag:
Der Kreistag stimmt
einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht zu.
Die
Rechtsanwaltskanzlei CBH Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner, Köln,
ist mit der anwaltlichen Vertretung, der Erstellung der Verfassungsbeschwerde
und der Beantragung der Musterprozess-Anerkennung zu beauftragen.
Da der
Verwaltungsrechtsstreit für den Kommunalbereich von landes- und bundesweitem
Interesse ist, ist eine Kostenübernahme der durch einen eventuellen
Musterprozess nicht gedeckten Anwalts- und Verfahrenskosten durch die
Kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Landkreistag bzw. LKT Rheinland-Pfalz)
anzustreben.