Betreff
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: "Antrag Klimaschutzvorgaben in der Bauleitplanung"
Vorlage
1586/2019
Aktenzeichen
1.1/cz/11141
Art
Beschlussvorlage

 

Sachverhalt:

 

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit dem als Anlage beigefügten Schreiben vom 10.10.2019 unter dem vorstehenden Titel folgenden Antrag zur Beratung und Entscheidung im Kreistag gestellt:

 

 „Der Kreistag beauftragt die Verwaltung, Möglichkeiten für Klimaschutzvorgaben in der Bauleitplanung zu recherchieren und Musterklauseln für Flächennutzungspläne und Bebauungspläne mit Klimaschutz Vorgaben vorzubereiten, um kreisangehörigen Kommunen die rechtssichere Einflussnahme auf Klimaschutzmaßnahmen in der Bauleitplanung zu erleichtern.“

 

 

Aus Sicht der Bauverwaltung ist dazu wie folgt Stellung zu nehmen:

 

In Wissenschaft und Praxis herrscht seit langem Einigkeit darüber, dass das Rechtsinstrument der Bauleitplanung für die Umsetzung einer klimagerechten Orts- und Stadtentwicklung von großer Bedeutung ist.

 

Dementsprechend wurde im Laufe der letzten Jahre das entsprechende Instrumentarium im Baugesetzbuch BauGB (§§ 1-9 BauGB) und in der BauNVO stetig erweitert und nachgeschärft. Der Baukasten für eine klimagerechte Bauleitplanung ist also inzwischen gut gefüllt und wird auch zunehmend wahrgenommen. Unzweifelhaft kann und muss hier aber noch mehr getan werden.

 

Wenn nun beantragt wird, dass von Seiten des Landkreises ein konkreter, d. h. festsetzungsbezogener Handlungsleitfaden für die rechtssichere Formulierung klimagerechter Bebauungspläne (denn nur auf diese zielen die Beispiele ab, im FNP sind sie so nicht zu fassen) erstellt werden soll, da dies für kleine Bauverwaltungen nicht leistbar sei, ist auf Folgendes hinzuweisen:

 

1.    Grundsätzlich: Der beste klimaschutzgerecht formulierte Bebauungsplan ist nur so gut wie die dahinter stehende Klimaschutz-Entwicklungsstrategie einer Kommune. Dies bedeutet, dass ohne entsprechende politische Arbeit und politische Entscheidungen, die sich in informellen Prozessen entwickeln und dann in den Instrumenten der Raum- und Stadtplanung verdichtet werden, ein solcher Bebauungsplan nicht zustande kommen wird.

Insoweit ist grundsätzlich festzuhalten, dass die strategisch wichtigsten klimaschutzrelevanten Entscheidungen bereits auf der Ebene der Flächennutzungsplanung fallen, wenn es um Flächenausweisungen, Flächenschonung, Nutzungsarten usw. geht.

2.    Tatsächlich finden sich für die klimagerechte verbindliche Bauleitplanung zahlreiche Beispiele, in denen Kommunen Vorgaben in der Bauleitplanung nutzen, um den Klimaschutz voranzubringen.

Eine beachtliche Zahl entsprechender Ausarbeitungen, die das Thema in seiner ganzen Bandbreite, also von grundsätzlicher Darstellung bis hin zu Präsentationen mit ganz konkreten Beispielen behandeln – sind dem nachfolgenden Screenshot zu entnehmen:

 

 

Diese Werkzeuge sind durchaus für den planenden Ingenieur/die Ingenieurin in der konkreten Arbeit unmittelbar anwendbar.

3.    Wenn nun die Notwendigkeit einer kreisseitigen Ausarbeitung eines Leitfadens für unsere Gemeinden gesehen wird, mag man einige der vorstehenden Leitfäden im Blick gehabt haben, die von einigen Kreisen genau zu diesem Zweck verfasst wurden. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass diese Leitfäden für Gemeindeverwaltungen gemacht wurden, die eigene Planungsabteilungen haben (gelegentlich ist dies in den anderen Ländern auch bei den Kreisverwaltungen der Fall, die als Planungsdienstleister kommunale Bauleitpläne erstellen).

4.    Beides ist bei uns nicht der Fall. Bauleitplanungen werden in unserem Land bei praktisch allen (Verbands-)Gemeinden grundsätzlich extern (nach HOAI) an freie Büros vergeben. Eine Ausarbeitung des Kreises hätte dann die Konsequenz, dass der Landkreis als operativer Dienstleister für private Ingenieurbüros auftreten würde, um ihnen das konkrete Handwerkszeug zu vermitteln, das sie kraft ihrer eigenen Qualifikation im Grunde selbst bereitstellen müssen.

5.    Das Handwerkliche ist mittlerweile sowohl durch die Kommentierung wie durch die genannten Leitfäden gut verfügbar. Hinweise auf rechtssichere Formulierungen sind in der Regel  darin enthalten.

Die konkrete Anwendung im Planwerk wird dagegen in jedem Fall anders sein und bedarf der individuellen Prüfung und Entscheidung, auch hinsichtlich des damit verbundenen Rechtsgehalts. Dies kann und darf ein Landkreis gegenüber seinen Gemeinden ohnehin nicht leisten, weder hinsichtlich der zu respektierenden gemeindlichen Planungshoheit wie auch dem Aspekt, dass seitens des Kreises keine Rechtsberatung zulässig ist.

6.    Was den methodischen Aspekt von „Musterklauseln“ angeht, ist aus der Praxis unserer Bauaufsicht zu bedenken, dass wir häufig an Bebauungsplanfestsetzungen „hängen“ bleiben, die zwar für sich gesehen korrekt formuliert sein mögen, jedoch auch aus Vorlagen übernommener Formulierungsbausteine im konkreten Fall nicht passen, nicht anwendbar sind oder schlicht falsch sind. Schematische Formulierungen führen nicht weiter, wenn sie nicht inhaltlich verstanden, und für die konkrete Planungsaufgabe passgenau umgesetzt werden.

7.    Abschließend soll zu der Einschätzung Stellung genommen werden, dass „(es) durch Zusammentragen von bestehenden Beispielen und Nutzung der entsprechenden Verbände und Institutionen (Gemeinde- und Städtebund, Energieagentur, etc.) […] es möglich sein (sollte), die Ausarbeitung im Rahmen weniger Personenwochen mit eigenem Personal zu decken.“

Für eine solche Zusammenstellung und Ausarbeitung bedeutet die Einschätzung „im Rahmen weniger Personenwochen“ nach meiner Erfahrung im Klartext, dass eine Fachkraft (Stadtplanerin/Stadtplaner) sich ungeachtet der vorhandenen Fachkenntnis, aber mangels eigener operativer oder wissenschaftlicher Tätigkeit in diesem Bereich zunächst einmal einarbeiten müsste – mit Zusammentragen und -schreiben ist es allein nicht getan – und bis zum fertigen Ergebnis nicht unter 6 Wochen voll beschäftigt wäre.

Die Bauverwaltung des Kreises kann dies im laufenden Betrieb nicht leisten.

8.    Ein pragmatischer Weg könnte sein, eine Materialienübersicht zum Thema zusammenzustellen, auf die dann die Gemeinden und ihre Kommunalpolitiker zugreifen können, um eine Vorstellung zu erhalten, was grundsätzlich festsetzbar ist.

Dies kann aber nichts daran ändern, dass primär die beauftragten Planungsfachleute in der Verantwortung sind, sachgerecht nach heutigen Anforderungen des Klimaschutzes und der Planung zu beraten und entsprechend qualifizierte Planungsleistungen zu erbringen.

 

Beschlussvorschlag:

 

Der Kreistag beauftragt die Bauabteilung der Kreisverwaltung, eine Materialienübersicht zu möglichen Klimaschutzvorgaben in der Bauleitplanung zusammenzustellen, auf die dann die Gemeinden und ihre Kommunalpolitiker zugreifen können, um eine Vorstellung zu erhalten, was grundsätzlich festsetzbar ist.