Betreff
Antrag B90/Die Grünen: "Lüftungsanlagen in Schulen"
Vorlage
2205/2021
Art
Antrag

Sachverhalt:

 

Zum Antrag der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen nimmt die Verwaltung wie folgt Stellung:

 

a)    Rechtslage

Von der Rechtslage ist es so, dass baurechtliche Regelungen für das Erfordernis von Lüftungsanlagen ausschließlich in der Versammlungsstättenverordnung zu finden sind. Als Generalklausel findet sich in § 50 („Sonderbauten“) Abs.1 neben einer Reihe anderer Punkte unter Nr. 9 das Thema Lüftung im Hinblick auf Anforderungen und Erleichterungen, die im Einzelfall von der Bauaufsichtsbehörde angeordnet werden können.

 

Für den Schulbau gibt es keine eigenständigen Vorgaben zum Thema Raumlüftung; die Sondervorschrift der Schulbaurichtlinie von 2004 hebt ausschließlich auf baulichen Brandschutz ab.

 

b)    Raumlüftung

In praktisch allen Publikationen wird die CO²-Belastung der Raumluft als „Leitwert“ für die Luftqualität herangezogen, als Richtwert werden regelmäßig 1.000 ppm/m³ CO² genannt.

 

Das Umweltbundesamt (UBA) und insbesondere deren Kommission Innenraumlufthygiene in Dessau-Roßlau (IRK) hatte sich bereits 2009 eingehend mit der Lüftungsthematik in Schulräumen auseinandergesetzt und Empfehlungen und Hinweise zur Raumluftqualität gegeben, die allerdings das gesamte Spektrum der Raumlufthygiene umfassen, nicht nur die Aspekte CO² und Virenbelastung. Eine unmittelbare Notwendigkeit resp. eine entsprechende Empfehlung, grundsätzlich mechanische Lüftungsanlagen in Schulräumen vorzusehen, wird darin nicht festgestellt.

 

Aus aktuellem Anlass der Corona-Pandemie hat sich das UBA/IRK am 12.08.2020 in einer Stellungnahme ausführlich zum Lüften während der SARS-CoV-2-Pandemie geäußert. Darauf bezugnehmend hat das Bildungsministerium am 07.10.2020 eine gemeinsame Handreichung „Lüften und Raumlufthygiene in Schulen in Rheinland-Pfalz“ zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden, Unfallkasse Rheinland-Pfalz, Universitätsmedizin Mainz und dem Institut für Lehrergesundheit (IfL) herausgegeben, in welchem die Lüftungsmöglichkeiten durch Fensterlüftung und mechanischer Lüftung dargestellt werden und konkrete Hinweise gegeben werden.

 

Beide Papiere stellen die verschiedenen Möglichkeiten der Raumlüftung an Schulen gleichberechtigt nebeneinander dar, ohne dass auch hier ein generelles Erfordernis hergeleitet wird, alle Schulräume mit mechanischen Raumlüftungsanlagen zu versehen.

 

Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen der Schulbauförderung der Einbau mechanischer Lüftungsanlagen in Klassenräumen von Schulen nur dann gefördert, wenn und soweit die zwingende konkrete Erfordernis in jedem Einzelfall (d.h. für jeden Raum) jeweils belegt und nachgewiesen ist.

 

Dies gilt sowohl  bei Neubaumaßnahmen als auch bei der Nachrüstung im Bestand. Eine pauschale flächendeckende Nachrüstung im Bestand scheidet unter Fördergesichtspunkten in jedem Fall aus; eine solche Investition muss der Schulträger deshalb ganz auf eigene Kosten durchführen.

 

c)    Luftreinigung

Das Thema Raumluftreinigung zur Reduzierung einer Virenlast in Klassenräumen ist davon unabhängig zu betrachten. Hierzu hat das UBA am 22.10.2020 ausführlich Stellung genommen und hinsichtlich von Raumluftreinigungsanlagen folgende Priorisierung vorgenommen:

 

„(…) Das Umweltbundesamt steht einem generellen Einsatz mobiler Luftreinigungsgeräte jedoch kritisch gegenüber und hält ihn lediglich in Ausnahmefällen als zusätzliche Maßnahme für gerechtfertigt. Denn die Wirksamkeit der mobilen Luftreinigungsgeräte in Hinblick auf die Reduzierung von SARS-CoV-2-Viren ist in vielen Fällen bislang nicht eindeutig nachgewiesen. Zudem beseitigen mobile Luftreiniger nicht die in Unterrichtsräumen übliche Anreicherung von Kohlendioxid (CO2), Luftfeuchte und diversen chemischen, teils geruchsaktiven Substanzen.

 

2 Priorisierung der Lüftungsmaßnahmen an Schulen aus Sicht des UBA

 

Das Umweltbundesamt empfiehlt, Lüftungsmaßnahmen an Schulen in folgender Rangfolge zu betrachten.

 

1.   In Schulen mit raumlufttechnischen (RLT-)Anlagen sollen für die Dauer der Pandemie die Frischluftzufuhr erhöht werden, und die Betriebszeiten der Anlagen verlängert werden. Arbeitet die Anlage mit Umluft ist der Einbau zusätzlicher Partikelfilter (Hochleistungsschwebstofffilter H 13 oder H 14) zu erwägen.

 

2.   In Schulen ohne RLT-Anlagen (schätzungsweise 90 % der Schulen) soll intervallartig über weit geöffnete Fenster gelüftet werden, wie in der gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz (KMK) verfassten UBA Handreichung zum Lüften in Schulen vom 15.10.2020 beschrieben. Diese Maßnahmen sind rasch und einfach umsetzbar und bieten einen wirksamen Schutz, weil die Außenluft nahezu virenfrei ist. Die im Winter unvermeidliche Abkühlung der Raumluft durch Stoßlüften hält nur für wenige Minuten an und ist aus medizinischer Sicht unbedenklich. CO²-Sensoren können als Orientierung dienen, ob und wie rasch die Frischluftzufuhr von außen gelingt.

 

3.   Sofern sich Fenster in Klassenräumen nicht genügend öffnen lassen, sollte geprüft werden, ob durch den Einbau einfacher ventilatorgestützter Zu- und Abluftsysteme (z. B. in Fensteröffnungen) eine ausreichende Außenluftzufuhr erreicht werden kann.

 

Sind die Maßnahmen unter 1 bis 3 nicht anwendbar, ist ein Raum aus innenraumhygienischer Sicht nicht für den Unterricht geeignet. Sollen solche Räume dennoch zum Unterricht genutzt werden, kann der Einsatz mobiler Luftreinigungsgeräte erwogen werden.“

 

Die Thematik wurde dann am 16.11.2020 in einem weiteren Papier  der IRK nochmals vertieft hinsichtlich der Wirkung, der Randbedingungen, der technischen Voraussetzungen und der Einordnung in die Möglichkeiten zur Beherrschung der Corona-Risiken im Schulunterricht.

 

Das IRK fasst wie folgt zusammen:

 

„Luftreiniger können Lüftung und Lüftungsanlagen nicht ersetzen

Die IRK sieht bei Lüftungsmaßnahmen folgende Abstufungen der Prioritäten:

1)    Regelmäßiges intensives Lüften über Fenster auf Grundlage der IRK-Empfehlungen vom 12.8.2020 sowie der UBA-Handreichung vom 15.10.2020 oder durch Einsatz von zentral oder etagenweise eingebauten Lüftungsanlagen.

2)    Wenn das Lüften über Fenster nur eingeschränkt möglich ist, soll der Einbau einfacher Zu-/und Abluftanlagen geprüft werden. Solche Anlagen können auch über die Pandemiesituation hinaus vor Ort verbleiben und bei eingeschränkter Lüftungsmöglichkeit dauerhaft zur Verbesserung der Raumluftqualität beitragen.

3)    Wenn die Maßnahmen unter (1) und (2) nicht realisierbar sind, kann der Einsatz von mobilen Luftreinigern erwogen werden. Diese sollen das Lüften jedoch nicht ersetzen, sondern nur flankieren. Gelüftet werden muss in jedem Fall, selbst wenn in solchen Fällen auch nur eingeschränkt möglich.

Räume, in denen keine Lüftungsmöglichkeit über Fenster vorhanden ist und auch keine Lüftungsanlage zum Einsatz kommt, sind für den Unterricht nicht geeignet.

In den Fällen unter Punkt (3) hält die IRK mobile Luftreiniger, deren Fähigkeit zur Entfernung virushaltiger Partikel in Realräumen experimentell nachgewiesen wurde, als flankierende Maßnahme zur Minderung eines Infektionsrisikos für geeignet. Die IRK betont dabei erneut, dass durch den Einsatz dieser Geräte nicht alle Verunreinigungen aus der Raumluft entfernt (vgl. Anmerkungen unter „Lüftungsanlagen und Lüften in Schulen“). Mobile Luftreiniger wälzen die Raumluft lediglich um und ersetzen nicht die notwendige Zufuhr von Außenluft.

Bereits 2015 hat die IRK grundsätzlich zum Einsatz von Luftreinigern und deren Möglichkeit, Schadstoffe (chemische Stoffe sowie Stäube) aus der Luft zu entfernen, Stellung genommen (IRK 2015). Die Aussagen jener Veröffentlichung gelten nach wie vor.

Alle hier genannten Maßnahmen, Lüftungskonzepte und -techniken sowie ggf. der Einsatz von mobilen Luftreinigern ersetzen nicht die allgemein bekannten Schutzmaßnahmen gegen SARS-CoV-2. Sie bieten zudem keinen wirksamen Schutz gegenüber einer Exposition durch direkten Kontakt bzw. Tröpfcheninfektion auf kurzer Distanz.

Die Einhaltung der AHA-Regeln (Abstand, Hygiene/Händewaschen, Alltagsmasken) sind daher unabhängig von den obigen Maßnahmen weiterhin zu beachten (AHA+L)!“

Aufbauend auf diesen Darlegungen des UBA hat die Landesregierung im Dezember 2020 ein Förderprogramm für Luftreinigungsgeräte aufgelegt, welches sich ausdrücklich auf die in den Papier von  IRK unter Nr. 3 genannten Fällen beschränkt.

 

Die Verwaltung hat hierzu eine Vorbewertung der Schulräume in den Schulen des Kreises vorgenommen, und ergänzend dazu noch einmal eine Bedarfsanfrage bei den Schulleitungen gestartet, die zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Vorlage noch nicht abgeschlossen war. Die entsprechenden Anforderungen der Schulen werden geprüft und auf den Weg gebracht.

 

Die Antworten zu den einzelnen Anforderungen des Antrags:

Zu 1.)

Hierzu wird zunächst hinsichtlich Notwendigkeit und Förderbarkeit auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen: sämtliche Planungs- und Bauinvestitionen müssen vom Schulträger zu 100% getragen werden. Die Notwendigkeit einer solchen Investition müsste von der Kommunalaufsichtsbehörde als unabweisbar anerkannt werden, weil anders keine kommunalaufsichtliche Genehmigung der Investitionen zu erwarten wäre.

 

Für die vorgeschlagene Bedarfs-, Investitions- und Folgekostenuntersuchung ist es – analog zum Vorgehen am Sickingen-Gymnasium (siehe Antwort zu Nr.3) - erforderlich ein Fachplanungsbüro TGA zu beauftragen, dies kann weder aus fachlichen Gründen, noch aus Gründen der Arbeitskapazität von der Verwaltung übernommen werden.

 

Unabhängig davon zeigt die Erfahrung aus der Baumaßnahme Sickingen-Gymnasium (siehe Antwort zu 3.), dass im Lichte der Untersuchungs- und Empfehlungslage des Umweltbundesamtes der Nachweis eines unabweisbaren Bedarfs für flächendeckende mechanische Lüftung der Schulräume kaum erbracht werden kann. Im (aus Sicht der Verwaltung kaum erwartbaren) flächendeckenden Bedarfsfall wäre überdies eine Erwartung auf eine schnelle und gleichzeitig kostengünstige Lösung unrealistisch.

 

Den zu erwartenden Folgekosten aus Stromverbrauch, Wartungsnotwendigkeit (wiederkehrende Prüfungen auch bauaufsichtlich gefordert!), Kosten für mindestens jährliche Filterwechsel wird kaum eine energetische Einsparung aus der Wärmerückgewinnung entgegenzustellen sein. Der zweifellos zu erwartende Wärmeverlust der Raumluft infolge der regelmäßigen Stoßlüftung dürfte nach Kenntnis der Verwaltung dabei keine wirklich ausschlaggebende Rolle bei der Energiebilanz spielen.

 

Alle diese Fragen würden sich aber im Rahmen der fachtechnischen Untersuchung beantworten lassen.

 

Zu 2.)

 

Zur in der VG Ramstein-Miesenbach probeweise realisierten ad-hoc- „Baumarkt-Lüftung“ hält es die Verwaltung für geboten, die dort erzielten Effekte zu beobachten, und daraus dann die Entscheidung für ein solches Vorgehen bei Schulen des Landkreises abzuleiten.

 

Die bisherige Erfahrung zeigt, dass die baulichen Möglichkeiten, für eine relativ einfache Zu- und Abluftführung mit solchen Einrichtungen zu sorgen, vor allem bei Räumen mit Oberlichtfenstern gegeben sind.  Dies ist an unseren Schulen nur zum Teil der Fall, dies lässt sich aber im Detail noch ermitteln. In anderen Fällen dürfte ein größerer Umbauaufwand entstehen.

 

Zur operativen Umsetzung ist anzumerken, dass der Landkreis anders als die Stadt Kaiserslautern und die Verbandsgemeinden nicht über einen Bauhof verfügt, mit dessen Personal- und Sachressourcen ein solches Projekt ad hoc umgesetzt werden könnte. Entweder diese Maßnahme muss dann als Handwerkerleistung beauftragt werden, die dann zu einer anderen Kostenstruktur führt, und bei der dann auch vergaberechtliche Fragen in den Blick kommen. Oder aber man findet eine Möglichkeit, eine Umsetzung auf ehrenamtlicher Basis auf den Weg zu bringen.

 

Man muss sich auf jeden Fall darüber im Klaren sein, dass mit solchen Apparaturen nach derzeitigem Stand der Vorgaben zum Infektionsschutz keine Suspendierung der AHA-Regeln verbunden sein wird.

 

Zu 3.)

 

Bei der Sanierungsplanung für das Sickingen-Gymnasium haben sich sowohl der Fachplaner wie auch die Objektplaner intensiv mit der Frage Raumlüftung auseinandergesetzt. Die Architekten haben dann in einem ersten Planungsergebnis eine Raumlüftung der Klassenräume über die Fenster vorgesehen, dabei werden pro Raum jeweils zwei hinter feststehenden Jalousien befindliche Fensterflügel an beiden Enden der Fensterfront angeordnet, wodurch eine zugfreie (ggf. dauerhafte) Fenster-Querlüftung ermöglicht werden kann.

 

In einem Workshop, den wir am 06.10.2020 zusammen mit den Planern und Vertretern der Schule durchgeführt hatten, kam dieses Thema dann erneut zur Sprache. Vor dem Hintergrund der Lüftungsthematik im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hatten wir uns dann entschlossen, die Situation nochmals vom Fachplaner gutachterlich betrachten zu lassen, indem die verschiedenen Varianten der Raumlüftung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit den arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen (ein normiertes Anforderungsprofil für die Raumlüftung von Unterrichtsräumen existiert nicht) sowie der technischen Umsetzbarkeit im vorhandenen Objekt zu vergleichen.

 

Der Fachplaner ist zum Ergebnis gekommen, dass die von den Architekten vorgeschlagene

Lüftungskonzeption die Anforderungen an ausreichenden Luftwechsel erfüllen wird. Für die naturwissenschaftlichen Unterrichtsräume wurde wie bisher schon der Einbau von dezentralen mechanischen Lüftungseinrichtungen vorgeschlagen, da infolge der dort in einigen Räumen einzubauenden Verdunklungen eine Fensterlüftung nicht mehr möglich ist.

 

Auf dieser Basis hat der Objektplaner eine zusammenfassende Empfehlung (mit Entscheidungsmatrix für die Varianten Fensterlüftung+ Fachraumlüftung bei Verdunkelung bzw. dezentrale Lüftungsanlagen für das gesamte Objekt) abgegeben, in welcher er für die Umsetzung des bisherigen Konzepts plädiert.

 

Die Frage wurde mit der Schulaufsichtsbehörde ADD, die gleichzeitig auch Zuschussgeberin für die Schulbauförderung des Landes ist, diskutiert. Im Ergebnis wurde von dort mitgeteilt, dass der Einbau von Lüftungsanlagen seitens des Landes nur in den Fällen gefördert wird, in denen die erforderlichen Luftwechselraten durch Fensterlüftung nicht erreicht werden können. Eine darüber hinausgehende generelle Ausrüstung von Unterrichtsräumen mit Lüftungsanlagen wird seitens des Landes nicht als erforderlich angesehen und daher auch nicht gefördert.

 

Die von den Planern empfohlene Lösung hat der Schulträger dann nach vorheriger Abstimmung mit der Schule den Planern zur weiteren Bearbeitung vorgegeben. Die im Naturwissenschafts-Trakt vorgesehenen dezentralen Lüftungsanlagen werden alle wie heute üblich mit einem Wärmetauscher ausgerüstet sein.

 

 

Beschlussvorschlag:

 

Der Kreistag nimmt den Sachverhalt zur Kenntnis.