Sachverhalt:
I. Pandemie
In den Bruttoverträgen der Buslinienbündel (im Landkreis Kaiserslautern
die Lose KL-Nordwest und KL-Südwest) werden die pandemiebedingten
Mindereinnahmen automatisch vollständig als Zuschusserhöhung durch die
kommunalen Haushalte abgedeckt. Aber auch in den eigenwirtschaftlichen Bündeln
(hier das Los KL-Nord) können die
Unternehmen den Verkehr nur fortführen, wenn ihnen die unverschuldeten Verluste
in Folge der Pandemie ausgeglichen werden.
Der VRN geht davon aus, dass selbst bei optimaler Entwicklung der
Pandemie die Verbundeinnahmen 2022 gegenüber dem Vorkrisenniveau geringer
ausfallen werden. Doch selbst wenn irgendwann in der Zukunft wieder das
Nachfrage- und Einnahmeniveau des Jahres 2019 erreicht werden sollte, bedeutet
dies nicht, dass damit ertragstechnisch die Pandemie überstanden ist. Denn die
Unternehmen sind bis zum Ausbruch der Pandemie berechtigterweise davon
ausgegangen, dass die Fahrgeldeinnahmen durch Preisanpassung und Mengenwachstum
jährlich steigen und haben dies in ihren Angeboten einkalkuliert.
In 2020 und 2021 wurden die pandemiebedingten Mindereinnahmen
vollständig über den ÖPNV-Rettungsschirm von Land und Bund übernommen. Der
Rettungsschirm ist jedoch aktuell auf den 31.12.2021 befristet. Eine Nachfolgerregelung
ist noch nicht in Sicht und wird - sofern es überhaupt eine neue Reglung geben
sollte - erst im neuen Jahr verabschiedet werden. Um auch über den
Jahreswechsel hinweg das Verkehrsangebot im ÖPNV und den Schülerverkehren
sicherzustellen, brauchen die Verkehrsunternehmen Planungssicherheit bezüglich
der Finanzierung der pandemiebedingten Mindereinnahmen. Der VRN hat im Rahmen
seiner Aufgabenträgerbetreuung deshalb die in der Anlage beigefügte Anpassung
der Ausgleichsregelung in den VRN-Konzessionsverträgen erarbeitet.
Die tatsächlichen pandemiebedingten Mindereinnahmen des Jahres 2022
lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht exakt vorhersagen. Der VRN wird im
Rahmen der monatlichen Abschlagszahlungen einen Rückgang von 21 % gegenüber den
dynamisierten Einnahmen aus dem Jahr 2019 unterstellen. Der sich unter dieser
Planungsprämisse ergebende finanzielle Mehrbedarf je Linienbündel ist in der Anlage 1 „Kommunale
Finanzierungsanteile-Coronabedingte Mindereinnahmen 2022“ dargestellt. Die
prognostizierten Kosten belaufen sich beim Landkreis Kaiserslautern auf 991.218
Euro. Dabei ist bisher kein neuer Rettungsschirm unterstellt worden.
II. Rheinland-Pfalz-Index
In Rheinland-Pfalz wurde im Rahmen des Tariftreuegesetzes (LTTG) der vom
privaten Omnibusgewerbe mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene
VAV-Tarifvertrag (Vereinigung der Arbeitgeberverbände Verkehrsgewerbe) für den
regionalen Busverkehr für repräsentativ erklärt.
Das VAV-Tarifwerk wurde vor Inkrafttreten des LTTG maßgeblich im
ländlichen Raum angewandt. Im VRN-Gebiet war der VAV aber nur bei
Subunternehmern von Relevanz, da die allermeisten Linien bei den
Bahnbustöchtern genehmigt waren, wobei deren mit der EVG abgeschlossene
Haustarifverträge deutlich bessere Konditionen für das Fahrpersonal enthielten,
insbesondere was die Arbeitszeitregelungen betrifft.
Infolge der ersten Wettbewerbsverfahren unter Anwendung des VAV als
gesetzlicher Tarifvorgabe zeigte sich dann relativ schnell, dass die durch das
LTTG verursachte Absenkung der Sozialstandards zu erheblichen Betriebsproblemen
geführt hatte. Der VRN hat darauf reagiert, indem er in den neueren Vergaben
neben der Beachtung des LTTG zusätzliche Sozialstandards abverlangt hat, die
sicherstellen, dass das Fahrpersonal adäquat bezahlt und keinen unzumutbaren
Arbeitsbedingungen ausgesetzt wird.
Neben den Arbeitsbedingungen ist der VAV-Tarif auch in Sachen Entlohnung
das Schlusslicht im Vergleich der Tarifverträge für Busfahrer im Südwesten.
Dies hat dazu geführt, dass es immer schwerer fällt, geeignetes Fahrpersonal
für die Linienbündel in Rheinland-Pfalz zu finden, da das Fachpersonal
zunehmend in die Nachbarländer mit signifikant besserer Entlohnung abwandert.
Dementsprechend hat ver.di im vergangenen Jahr eine deutliche Erhöhung des
Stundenentgeltes in den Tarifverhandlungen eingefordert. Die Arbeitgeber waren
zwar grundsätzlich der Ansicht, dass dieser Nachholbedarf fachlich begründet
ist, sahen sich jedoch in dem wirtschaftlichen Dilemma gefangen, dass sie die
mit einem solchen Abschluss verbundenen Mehrkosten über die öffentlichen
Dienstleistungsaufträge mit den Aufgabenträgern nicht refinanziert bekommen. Es
drohte daher zum Schuljahresbeginn Ende August 2020 ein landesweiter Streik im
Busverkehr.
Der Streik wurde durch Intervention der Landesregierung, ohne Einbindung
und Information der kommunalen Aufgabenträger bzw Verkehrsverbünde verhindert.
Der damals für den ÖPNV zuständige Staatssekretär Becht sagte zu, den
Aufgabenträgern im Rahmen eines „Rheinland-Pfalz-Index“ zusätzliche Mittel zur
Verfügung zu stellen, um die aus dem Tarifabschluss resultierende
Zuschusserhöhung finanzieren zu können. Daraufhin wurde der Entgelttarifvertrag
mit einer überproportional hohen Entgeltsteigerung abgeschlossen.
Im weiteren Verlauf der Gespräche zum Rheinland-Pfalz-Index wurde dann
deutlich, dass das Land nur die Hälfte der durch den Tarifabschluss
verursachten Mehrkosten übernehmen will und von der kommunalen Seite – also den
Bestellern der jeweiligen Linienbündel – erwartet, dass sie die andern 50% in
der Mitfinanzierung übernimmt.
Hierüber hat der VRN die Verbandsmitglieder im März 2021 unterrichtet.
Zum damaligen Zeitpunkt war jedoch noch völlig unklar, welche finanzielle
Belastung aus der Kostenverteilung auf der Basis des Rheinland-Pfalz - Indexes
resultiert. Im Juli 2021 hat das Land erst entschieden, welche
Berechnungsmethode zur Ermittlung der förderfähigen Mehrkosten landesweit
anzuwenden ist. Auf dieser Basis hat die VRN GmbH dann die Verbundunternehmen
in Rheinland-Pfalz gebeten, die zu erwartenden Kosten zu ermitteln.
Seit einigen Monaten befinden sich daher die Tarifparteien erneut in
Verhandlungen. Diese Verhandlungen sind dadurch belastet, dass die Arbeitgeber
bisher den vom Land zugesagten Ausgleich für die Mehrbelastung aus dem Abschluss
August 2020 noch nicht erhalten haben. Im Rahmen einer Mediation hat das Land
daher erneut zugesagt, eine entsprechende Förderung zeitnah umzusetzen.
Nach langwierigen Gesprächen zwischen dem Land, den Tarifpartnern, den
kommunalen Spitzenverbänden und den Verbünden hat das Land Ende August 2021
eine Förderrichtlinie veröffentlicht (Verwaltungsvorschrift des Ministeriums
für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz vom 27. August
2021 „Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zum Ausgleich von
außerordentlichen Mehrkosten beim Personal im Busgewerbe des ÖPNV (Richtlinien
zur Förderung der Personalmehrkosten im Busgewerbe RLP)“), auf deren Grundlage
das Land 50 % der aus dem Tarifabschluss August 2020 resultierenden Personalmehrkosten
ausgleichen wird. Der Förderantrag muss bis 31.10.2021 gestellt werden.
Adressat der Förderung sind jedoch aus rechtlichen Gründen nicht die
Verkehrsunternehmen, sondern die Aufgabenträger, die im Rahmen der Förderung
verpflichtet werden, die Fördermittel im Rahmen der vorhandenen öffentlichen
Dienstleistungsaufträge an die Unternehmen auszukehren. Diese Vertragsanpassung
setzt rechtlich voraus, dass die Vertragspartner in dem politisch unterstützten
Tarifabschluss eine Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB sehen.
Daraus resultiert der faktische Zwang, nicht nur die 50 % Landesförderung
durchzureichen, sondern die wirtschaftliche Wirkung des Abschlusses vollständig
auszugleichen. Davon abgesehen haben die betroffenen Unternehmen bereits
signalisiert, dass sie einer Vertragsanpassung nur mit 50% Ausgleich nicht
zustimmen werden.
Auf dieser Basis konnte der VRN bis 15. Oktober je Linienbündel
ermitteln, welche Mehrkosten entstehen. Allerdings sah sich der Verbund nicht
in der Lage, den Förderantrag zu stellen, ohne dass ihn die Verbandsmitglieder
hierzu ausdrücklich ermächtigen, da die Antragstellung dazu führen wird, dass
den Unternehmen ein Vollausgleich der wirtschaftlichen Folgen des Abschlusses
zusteht.
Der im Rahmen der Mediation gefundene Kompromiss zum neuen
Tarifabschluss ist aus Sicht der Arbeitgeber erst unterschriftsreif, wenn der
VRN für die Verbandsmitglieder den Förderantrag beim Land stellt und die
Ergänzung um den kommunalen Anteil erfolgt. Die anderen rheinland-pfälzischen
Verbünde haben den Förderantrag bereits gestellt. Dies hat dazu geführt, dass
ver.di im VRN-Gebiet zu massiven Streiks aufgerufen hat, um auch im VRN eine
Antragstellung zu erzwingen.
Nach Ansicht der VRN GmbH ist eine kommunale Mitfinanzierung gerechtfertigt,
weil es als Gemeinschaftsaufgabe aller ÖPNV-Verantwortlichen verstanden werden
muss, auch die innerbetriebliche Attraktivität des ÖPNV zu stärken. Der seit
Jahren zu verzeichnende Busfahrermangel resultiert zum größten Teil aus dem
bisher geringen Ansehen des Berufs, wobei die Entlohnung eine große Rolle
spielt. Ein attraktiverer, verlässlicher ÖPNV benötigt motivierte Beschäftigte,
die eine adäquate Entlohnung erhalten müssen. Die Einbindung der kommunalen
Aufgabenträger in die Kompromissfindung und die Mediation hätte daher erfolgen
müssen.
In einem Spitzengespräch zwischen Frau Staatssekretärin Eder, dem VRN
und den Verbandsmitgliedern haben die Aufgabenträger das bisherige Verfahren
und die mangelhafte Kommunikation scharf kritisiert, man hat sich aber
angesichts der Frist zur Stellung des Förderantrags auch am 15.10.2021 darauf
verständigt, dass die VRN GmbH bei allen linksrheinischen
Zweckverbandsmitgliedern die Zustimmung zur Stellung des Sammelantrags im Namen
seiner Mitglieder einholen soll. Allerdings erfolgt dies unter dem Vorbehalt
der Zustimmung der kommunalen Gremien zur hälftigen Mitfinanzierung und einer
schriftlichen Bestätigung der ADD, dass die hieraus resultierenden
Mehrbelastungen in den kommunalen Haushalten dem Pflichtbereich zuzuordnen
sind. Das neue Nahverkehrsgesetz mit dem ÖPNV als Pflichtaufgabe ist erst seit
März 2021 in Kraft.
Der Anteil des Landkreises Kaiserslautern am Rheinland-Pfalz Index
beträgt 315.010 Euro (Stand 20.10.2021,
vgl. Anlage 2).
III.
Die VRN GmbH hat zur Umsetzung der Auswirkungen der Pandemie und des
RLP-Index die notwendigen Vertragsanpassungen der Konzessionsverträge
erarbeitet. Diese Muster sind in der
Anlage beigefügt.
Für das eigenwirtschaftliche Los KL-Nord sind die Anpassungen
sowohl in Bezug auf die Mindereinnahmen aufgrund von Corona, als auch durch die
Mehraufwendungen aus dem RLP-Index anzupassen.
Für die beiden Lose KL-Nordwest und KL-Südwest (beides sog.
Bruttoverträge) sind lediglich die Anpassungen zum RLP-Index vorzunehmen. Aufgrund
der (Brutto-)Vertragsgestaltung bedarf es keiner Anpassung aufgrund der
Corona-Pandemie; hier resultiert die Zahlungsverpflichtung der Aufgabenträger
bereits aus dem bisherigen Konzessionsvertrag.
Beschlussvorschlag:
- Der Kreistag nimmt zustimmend zur
Kenntnis, dass die VRN GmbH vor dem Hintergrund der Fristwahrung
beauftragt wurde, beim Land den
Sammelantrag zum Abruf der Landesmittel zur hälftigen Finanzierung der
wirtschaftlichen Folgen aus dem Tarifabschluss VAV vom August 2020 und dem
anstehenden Abschluss 2021 bezogen auf die
dort ausgehandelten Einmalzahlungen im Namen der rheinland-pfälzischen
Verbandsmitglieder zu stellen und in der Abrechnung der Linienbündel mit den
Verbundunternehmen den entsprechenden Vollausgleich vorzusehen.
Dies erfolgt unter dem Vorbehalt, dass die
zuständigen Gremien die hierzu notwendige kommunale Komplementärfinanzierung
bewilligen und seitens des Landes eine Bestätigung erfolgt, wonach die
kommunale Mitfinanzierung als Vollzug der Pflichtaufgabe „ÖPVV“ angesehen wird.
- Der Kreistag beschließt die notwendige
Komplementärfinanzierung an den außerordentlichen Mehrkosten beim Personal
im Busgewerbe des ÖPNV in Höhe von 50%. Die Förderrichtlinie Des Landes
sieht vor, dass die Förderung und somit auch Komplementärfinanzierung der
Verkehre bis zum Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit, längstens jedoch
bis 30.06.2026 gewährt wird.
- Der Kreistag stimmt den im Sachverhalt
dargestellten Ergänzungen der VRN-Konzessionsverträge zu.