Betreff
ÖPNV: Ausgleich der pandemiebedingten Mindereinnahmen und Umsetzung des Rheinland-Pfalz-Index; hier: Anpassung der Konzessionsverträge
Vorlage
2596/2021
Aktenzeichen
3/sp
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

 

I.  Pandemie

 

In den Bruttoverträgen der Buslinienbündel (im Landkreis Kaiserslautern die Lose KL-Nordwest und KL-Südwest) werden die pandemiebedingten Mindereinnahmen automatisch vollständig als Zuschusserhöhung durch die kommunalen Haushalte abgedeckt. Aber auch in den eigenwirtschaftlichen Bündeln (hier das Los KL-Nord)  können die Unternehmen den Verkehr nur fortführen, wenn ihnen die unverschuldeten Verluste in Folge der Pandemie ausgeglichen werden.

 

Der VRN geht davon aus, dass selbst bei optimaler Entwicklung der Pandemie die Verbundeinnahmen 2022 gegenüber dem Vorkrisenniveau geringer ausfallen werden. Doch selbst wenn irgendwann in der Zukunft wieder das Nachfrage- und Einnahmeniveau des Jahres 2019 erreicht werden sollte, bedeutet dies nicht, dass damit ertragstechnisch die Pandemie überstanden ist. Denn die Unternehmen sind bis zum Ausbruch der Pandemie berechtigterweise davon ausgegangen, dass die Fahrgeldeinnahmen durch Preisanpassung und Mengenwachstum jährlich steigen und haben dies in ihren Angeboten einkalkuliert.

 

In 2020 und 2021 wurden die pandemiebedingten Mindereinnahmen vollständig über den ÖPNV-Rettungsschirm von Land und Bund übernommen. Der Rettungsschirm ist jedoch aktuell auf den 31.12.2021 befristet. Eine Nachfolgerregelung ist noch nicht in Sicht und wird - sofern es überhaupt eine neue Reglung geben sollte - erst im neuen Jahr verabschiedet werden. Um auch über den Jahreswechsel hinweg das Verkehrsangebot im ÖPNV und den Schülerverkehren sicherzustellen, brauchen die Verkehrsunternehmen Planungssicherheit bezüglich der Finanzierung der pandemiebedingten Mindereinnahmen. Der VRN hat im Rahmen seiner Aufgabenträgerbetreuung deshalb die in der Anlage beigefügte Anpassung der Ausgleichsregelung in den VRN-Konzessionsverträgen erarbeitet.

 

Die tatsächlichen pandemiebedingten Mindereinnahmen des Jahres 2022 lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht exakt vorhersagen. Der VRN wird im Rahmen der monatlichen Abschlagszahlungen einen Rückgang von 21 % gegenüber den dynamisierten Einnahmen aus dem Jahr 2019 unterstellen. Der sich unter dieser Planungsprämisse ergebende finanzielle Mehrbedarf je Linienbündel ist in  der Anlage 1 „Kommunale Finanzierungsanteile-Coronabedingte Mindereinnahmen 2022“ dargestellt. Die prognostizierten Kosten belaufen sich beim Landkreis Kaiserslautern auf 991.218 Euro. Dabei ist bisher kein neuer Rettungsschirm unterstellt worden.

 

 

 

II. Rheinland-Pfalz-Index

 

In Rheinland-Pfalz wurde im Rahmen des Tariftreuegesetzes (LTTG) der vom privaten Omnibusgewerbe mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene VAV-Tarifvertrag (Vereinigung der Arbeitgeberverbände Verkehrsgewerbe) für den regionalen Busverkehr für repräsentativ erklärt.

 

Das VAV-Tarifwerk wurde vor Inkrafttreten des LTTG maßgeblich im ländlichen Raum angewandt. Im VRN-Gebiet war der VAV aber nur bei Subunternehmern von Relevanz, da die allermeisten Linien bei den Bahnbustöchtern genehmigt waren, wobei deren mit der EVG abgeschlossene Haustarifverträge deutlich bessere Konditionen für das Fahrpersonal enthielten, insbesondere was die Arbeitszeitregelungen betrifft.

 

Infolge der ersten Wettbewerbsverfahren unter Anwendung des VAV als gesetzlicher Tarifvorgabe zeigte sich dann relativ schnell, dass die durch das LTTG verursachte Absenkung der Sozialstandards zu erheblichen Betriebsproblemen geführt hatte. Der VRN hat darauf reagiert, indem er in den neueren Vergaben neben der Beachtung des LTTG zusätzliche Sozialstandards abverlangt hat, die sicherstellen, dass das Fahrpersonal adäquat bezahlt und keinen unzumutbaren Arbeitsbedingungen ausgesetzt wird.

 

Neben den Arbeitsbedingungen ist der VAV-Tarif auch in Sachen Entlohnung das Schlusslicht im Vergleich der Tarifverträge für Busfahrer im Südwesten. Dies hat dazu geführt, dass es immer schwerer fällt, geeignetes Fahrpersonal für die Linienbündel in Rheinland-Pfalz zu finden, da das Fachpersonal zunehmend in die Nachbarländer mit signifikant besserer Entlohnung abwandert. Dementsprechend hat ver.di im vergangenen Jahr eine deutliche Erhöhung des Stundenentgeltes in den Tarifverhandlungen eingefordert. Die Arbeitgeber waren zwar grundsätzlich der Ansicht, dass dieser Nachholbedarf fachlich begründet ist, sahen sich jedoch in dem wirtschaftlichen Dilemma gefangen, dass sie die mit einem solchen Abschluss verbundenen Mehrkosten über die öffentlichen Dienstleistungsaufträge mit den Aufgabenträgern nicht refinanziert bekommen. Es drohte daher zum Schuljahresbeginn Ende August 2020 ein landesweiter Streik im Busverkehr.

 

Der Streik wurde durch Intervention der Landesregierung, ohne Einbindung und Information der kommunalen Aufgabenträger bzw Verkehrsverbünde verhindert. Der damals für den ÖPNV zuständige Staatssekretär Becht sagte zu, den Aufgabenträgern im Rahmen eines „Rheinland-Pfalz-Index“ zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, um die aus dem Tarifabschluss resultierende Zuschusserhöhung finanzieren zu können. Daraufhin wurde der Entgelttarifvertrag mit einer überproportional hohen Entgeltsteigerung abgeschlossen.

 

Im weiteren Verlauf der Gespräche zum Rheinland-Pfalz-Index wurde dann deutlich, dass das Land nur die Hälfte der durch den Tarifabschluss verursachten Mehrkosten übernehmen will und von der kommunalen Seite – also den Bestellern der jeweiligen Linienbündel – erwartet, dass sie die andern 50% in der Mitfinanzierung übernimmt.

Hierüber hat der VRN die Verbandsmitglieder im März 2021 unterrichtet. Zum damaligen Zeitpunkt war jedoch noch völlig unklar, welche finanzielle Belastung aus der Kostenverteilung auf der Basis des Rheinland-Pfalz - Indexes resultiert. Im Juli 2021 hat das Land erst entschieden, welche Berechnungsmethode zur Ermittlung der förderfähigen Mehrkosten landesweit anzuwenden ist. Auf dieser Basis hat die VRN GmbH dann die Verbundunternehmen in Rheinland-Pfalz gebeten, die zu erwartenden Kosten zu ermitteln.

 

Seit einigen Monaten befinden sich daher die Tarifparteien erneut in Verhandlungen. Diese Verhandlungen sind dadurch belastet, dass die Arbeitgeber bisher den vom Land zugesagten Ausgleich für die Mehrbelastung aus dem Abschluss August 2020 noch nicht erhalten haben. Im Rahmen einer Mediation hat das Land daher erneut zugesagt, eine entsprechende Förderung zeitnah umzusetzen.

 

Nach langwierigen Gesprächen zwischen dem Land, den Tarifpartnern, den kommunalen Spitzenverbänden und den Verbünden hat das Land Ende August 2021 eine Förderrichtlinie veröffentlicht (Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz vom 27. August 2021 „Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zum Ausgleich von außerordentlichen Mehrkosten beim Personal im Busgewerbe des ÖPNV (Richtlinien zur Förderung der Personalmehrkosten im Busgewerbe RLP)“), auf deren Grundlage das Land 50 % der aus dem Tarifabschluss August 2020 resultierenden Personalmehrkosten ausgleichen wird. Der Förderantrag muss bis 31.10.2021 gestellt werden. Adressat der Förderung sind jedoch aus rechtlichen Gründen nicht die Verkehrsunternehmen, sondern die Aufgabenträger, die im Rahmen der Förderung verpflichtet werden, die Fördermittel im Rahmen der vorhandenen öffentlichen Dienstleistungsaufträge an die Unternehmen auszukehren. Diese Vertragsanpassung setzt rechtlich voraus, dass die Vertragspartner in dem politisch unterstützten Tarifabschluss eine Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB sehen. Daraus resultiert der faktische Zwang, nicht nur die 50 % Landesförderung durchzureichen, sondern die wirtschaftliche Wirkung des Abschlusses vollständig auszugleichen. Davon abgesehen haben die betroffenen Unternehmen bereits signalisiert, dass sie einer Vertragsanpassung nur mit 50% Ausgleich nicht zustimmen werden.

 

Auf dieser Basis konnte der VRN bis 15. Oktober je Linienbündel ermitteln, welche Mehrkosten entstehen. Allerdings sah sich der Verbund nicht in der Lage, den Förderantrag zu stellen, ohne dass ihn die Verbandsmitglieder hierzu ausdrücklich ermächtigen, da die Antragstellung dazu führen wird, dass den Unternehmen ein Vollausgleich der wirtschaftlichen Folgen des Abschlusses zusteht.

 

Der im Rahmen der Mediation gefundene Kompromiss zum neuen Tarifabschluss ist aus Sicht der Arbeitgeber erst unterschriftsreif, wenn der VRN für die Verbandsmitglieder den Förderantrag beim Land stellt und die Ergänzung um den kommunalen Anteil erfolgt. Die anderen rheinland-pfälzischen Verbünde haben den Förderantrag bereits gestellt. Dies hat dazu geführt, dass ver.di im VRN-Gebiet zu massiven Streiks aufgerufen hat, um auch im VRN eine Antragstellung zu erzwingen.

 

Nach Ansicht der VRN GmbH ist eine kommunale Mitfinanzierung gerechtfertigt, weil es als Gemeinschaftsaufgabe aller ÖPNV-Verantwortlichen verstanden werden muss, auch die innerbetriebliche Attraktivität des ÖPNV zu stärken. Der seit Jahren zu verzeichnende Busfahrermangel resultiert zum größten Teil aus dem bisher geringen Ansehen des Berufs, wobei die Entlohnung eine große Rolle spielt. Ein attraktiverer, verlässlicher ÖPNV benötigt motivierte Beschäftigte, die eine adäquate Entlohnung erhalten müssen. Die Einbindung der kommunalen Aufgabenträger in die Kompromissfindung und die Mediation hätte daher erfolgen müssen.

 

In einem Spitzengespräch zwischen Frau Staatssekretärin Eder, dem VRN und den Verbandsmitgliedern haben die Aufgabenträger das bisherige Verfahren und die mangelhafte Kommunikation scharf kritisiert, man hat sich aber angesichts der Frist zur Stellung des Förderantrags auch am 15.10.2021 darauf verständigt, dass die VRN GmbH bei allen linksrheinischen Zweckverbandsmitgliedern die Zustimmung zur Stellung des Sammelantrags im Namen seiner Mitglieder einholen soll. Allerdings erfolgt dies unter dem Vorbehalt der Zustimmung der kommunalen Gremien zur hälftigen Mitfinanzierung und einer schriftlichen Bestätigung der ADD, dass die hieraus resultierenden Mehrbelastungen in den kommunalen Haushalten dem Pflichtbereich zuzuordnen sind. Das neue Nahverkehrsgesetz mit dem ÖPNV als Pflichtaufgabe ist erst seit März 2021 in Kraft.

 

Der Anteil des Landkreises Kaiserslautern am Rheinland-Pfalz Index beträgt 315.010 Euro  (Stand 20.10.2021, vgl. Anlage 2).

 

 

III.

 

Die VRN GmbH hat zur Umsetzung der Auswirkungen der Pandemie und des RLP-Index die notwendigen Vertragsanpassungen der Konzessionsverträge erarbeitet. Diese Muster sind in der  Anlage beigefügt.

Für das eigenwirtschaftliche Los KL-Nord sind die Anpassungen sowohl in Bezug auf die Mindereinnahmen aufgrund von Corona, als auch durch die Mehraufwendungen aus dem RLP-Index anzupassen.

Für die beiden Lose KL-Nordwest und KL-Südwest (beides sog. Bruttoverträge) sind lediglich die Anpassungen zum RLP-Index vorzunehmen. Aufgrund der (Brutto-)Vertragsgestaltung bedarf es keiner Anpassung aufgrund der Corona-Pandemie; hier resultiert die Zahlungsverpflichtung der Aufgabenträger bereits aus dem bisherigen Konzessionsvertrag.

 

 

Beschlussvorschlag:

 

  1. Der Kreistag nimmt zustimmend zur Kenntnis, dass die VRN GmbH vor dem Hintergrund der Fristwahrung beauftragt wurde, beim Land  den Sammelantrag zum Abruf der Landesmittel zur hälftigen Finanzierung der wirtschaftlichen Folgen aus dem Tarifabschluss VAV vom August 2020 und dem

anstehenden Abschluss 2021 bezogen auf die dort ausgehandelten Einmalzahlungen im Namen der rheinland-pfälzischen Verbandsmitglieder zu stellen und in der Abrechnung der Linienbündel mit den Verbundunternehmen den entsprechenden Vollausgleich vorzusehen.

Dies erfolgt unter dem Vorbehalt, dass die zuständigen Gremien die hierzu notwendige kommunale Komplementärfinanzierung bewilligen und seitens des Landes eine Bestätigung erfolgt, wonach die kommunale Mitfinanzierung als Vollzug der Pflichtaufgabe „ÖPVV“ angesehen wird.

 

  1. Der Kreistag beschließt die notwendige Komplementärfinanzierung an den außerordentlichen Mehrkosten beim Personal im Busgewerbe des ÖPNV in Höhe von 50%. Die Förderrichtlinie Des Landes sieht vor, dass die Förderung und somit auch Komplementärfinanzierung der Verkehre bis zum Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit, längstens jedoch bis 30.06.2026 gewährt wird.

 

  1. Der Kreistag stimmt den im Sachverhalt dargestellten Ergänzungen der VRN-Konzessionsverträge zu.