Sachverhalt:
A. Hintergrund und Anlass
Mit Einführung des neuen § 2b UStG wurden die
Rechtsgrundlagen für die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand grundlegend
neu geregelt und mit einer optionalen Übergangsfrist bis zwischenzeitlich Ende
2022 versehen. Hintergrund waren die Anforderungen aus dem einheitlichen
europäischen Mehrwertsteuersystem. Der Landkreis
Kaiserslautern hat mit der sog. Optionserklärung die Übergangsfrist in Anspruch
genommen, so dass bis Ende 2022 noch nach altem Recht verfahren wird. Auf die
bisherigen Beschlussvorlagen
0810/2016 und 1971/2020 wird
verwiesen.
Ab dem Veranlagungsjahr 2023 ist zwingend nach neuem Recht § 2b UStG zu
verfahren. Mit der Änderung findet ein grundlegender Paradigmenwechsel der für
die Geltung des Umsatzsteuerrechts maßgeblichen Einstufung als Unternehmer statt.
Bisher war eine juristische Person des
öffentlichen Rechts nur dann Unternehmer, soweit ein Betrieb gewerblicher Art
(BgA) im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes vorlag (Gewinnerzielung, Umsatz
über 35.000 € pro Jahr). Für alle übrigen Tätigkeiten war die juristische
Person des öffentlichen Rechts (jPöR) kein Unternehmer, daher auch keine
Relevanz der Umsatzsteuer.
Nach neuem Recht verhält es sich umgekehrt.
Eine jPöR gilt grundsätzlich als Unternehmer, nur in bestimmten Ausnahmefällen
nicht mehr. Diese Ausnahmefälle sind insbesondere die Ausübung öffentlicher
Gewalt (insbesondere hoheitliche Aufgaben), Tätigkeiten unter einer
Bagatellgrenze sowie der Leistungsaustausch mit anderen jPöR (z. B.
interkommunale Kooperation, aber auch mit dem Land oder mit Kirchen), jedoch
nur unter bestimmten Voraussetzungen. Diese Änderungen führen u. a. dazu, dass
·
insbesondere Tätigkeiten im
Bereich der sog. Vermögensverwaltung (bisher keine Umsatzsteuer) neu zu prüfen
sind;
·
sämtliche Leistungsaustausche
auf Basis privatrechtlicher Verträge grundsätzlich immer der Umsatzsteuer
unterliegen;
·
letztlich alle
Leistungsaustausche mit anderen jPöR steuerlich nach den neuen Regelungen neu
zu überprüfen und zu bewerten sind.
Unverändert
bleiben insbesondere die Steuerbefreiungstatbestände nach § 4 UStG
(insbesondere Vermietung/Verpachtung, Leistungen im Bildungsbereich und der
Jugendhilfe u. a. m.).
B. Ordnungsgemäße Umsetzung der neuen
steuerlichen Pflichten
Die Verwaltung wird die notwendigen Vorbereitungen treffen, um ab 2023 eine ordnungsgemäße Umsetzung der neuen
umsatzsteuerlichen Pflichten sicherstellen zu können.
Dazu wären die notwendigen organisatorischen
und personellen Voraussetzungen zu schaffen. Ziel ist es, steuerrelevante
Sachverhalte zu ermitteln, Erklärungsfristen fristgerecht einzuhalten und ggf.
auftretende Fehler aufzuspüren, zu korrigieren und künftig zu vermeiden.
Nicht
ordnungsgemäße Umsetzungen der steuerlichen Erklärungspflichten treten
spätestens im Rahmen einer Außenprüfung (Betriebsprüfung) zu Tage. Wurden
Steuern nicht oder nicht richtig erklärt, führt dies immer zu
Steuernachzahlungen; geschah dies fahrlässig, ist schlimmstenfalls mit
Strafzahlungen oder strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Nach- und
Strafzahlungen können zudem u. U. zu erheblichen außerplanmäßigen
Haushaltsbelastungen führen.
Um Steuerstrafsachen zu vermeiden und
Steuerrisiken zu minimieren gilt es, bis Ende 2022 insbesondere folgende
Maßnahmen zu ergreifen:
·
Sensibilisierung der von der
Neuregelung betroffenen Mitarbeiter/innen der Verwaltung.
·
Etablierung eines lückenlosen
Vertragsmanagements.
·
Umsetzung etwaiger notwendiger
Anpassungen der Aufbauorganisation (Stellen, Personen, Funktionen, Aufgaben)
wie auch der Ablauforganisation (Dienstanweisungen, Zeichnungsberechtigungen u.
a. m.).
Zur Umsetzung ist beabsichtigt, ein sog.
Tax-Compliance-Managementsystem (TCMS) einzuführen. Es handelt sich dabei um
ein innerbetriebliches Kontrollsystem, das die bereits vorhandenen Prozesse
ergänzt, systematisiert und dokumentiert.
Es bietet sich an, ein solches Instrument
nicht nur für die Umsatzsteuer, sondern gleichermaßen für alle übrigen
Steuerarten einzusetzen, insbesondere für Körperschaftsteuer, Lohn‐ bzw. Einkommensteuer (einschl. geldwerte
Vorteile, Dienstwagennutzung usw.), Kapitalertragsteuer und Energie‐/Stromsteuer. Das TCMS dient nicht zuletzt auch der
rechtlichen Absicherung.
Nach § 153 AO schützt ein solches
innerbetriebliches Kontrollsystem zumindest als Indiz vor dem Vorwurf der
Leichtfertigkeit oder des Vorsatzes der Steuerverkürzung bzw. -hinterziehung.
Mit der Einführung eines TCMS folgt der
Landkreis einer entsprechenden Empfehlung des rheinland-pfälzischen
Landkreistages.
Ein vom Landkreistag Rheinland-Pfalz mit
Sonderrundschreiben vom 18.11.2021 heraus-gegebenes Muster der Einführung eines
TCMS in den Kreisverwaltungen in Rheinland-Pfalz ist dieser Beschlussvorlage als Anlage beigefügt. Dieses Muster
muss auf die Situation des Landkreises Kaiserslautern noch angepasst werden und
dient dann als Grundlage für die weiteren erforderlichen Arbeitsschritte.
Beschlussvorschlag:
Der Kreistag nimmt die Ausführungen der Verwaltung zustimmend zur
Kenntnis.
Der Kreistag unterstützt die Verwaltung bei
dem Ziel, die neuen Regelungen zur Umsatzsteuer, genauso wie alle anderen
Steuersachen, ordnungsgemäß zu bearbeiten.
Die Risikofelder sollen analysiert und darauf
aufbauend - soweit notwendig - geeignete organisatorische Maßnahmen zur
Minimierung der Risiken ergriffen werden. Die Umsetzung der steuerlichen
Neuregelungen und die Einführung eines TCMS können zu einem derzeit noch nicht
absehbaren personellen oder finanziellen Mehraufwand führen. Über eventuell
benötigte zusätzliche Ressourcen wäre unter Wahrung der haushaltsrechtlichen
Bestimmungen und Zuständigkeiten zu gegebener Zeit zu entscheiden.