Sachverhalt:
Der Gesetzgeber hat mit Einführung des § 2b des Umsatzsteuergesetzes
(UStG) die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand grundlegend reformiert und
das deutsche Umsatzsteuergesetz der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL)
sowie der Rechtsprechung des BFH angenähert. Dies führt dazu, dass juristische
Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) tendenziell häufiger als bisher in den
Anwendungsbereich der Umsatzsteuer geraten. Die Änderungen hat der Gesetzgeber
durch eine Übergangsregelung in § 27 Abs. 22 UStG flankiert, nach der die jPöR
gegenüber dem Finanzamt erklären kann, auf die Anwendung der Neuregelung bis
zum 31.12.2020 zu verzichten.
Bisherige Regelung:
Bisher galten bei Fragen einer Umsatzbesteuerung für jPöR die Regelungen
des Körperschaftsteuerrechts. Demnach kam eine Umsatzsteuerpflicht lediglich
bei ertragsteuerlich relevanten Betrieben gewerblicher Art (BgA) in Frage. Im
Rahmen der BgA´s war die jPöR Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne.
Tätigkeiten der Vermögensverwaltung oder hoheitliches Handeln waren im
Allgemeinen nicht umsatzsteuerrelevant. Darüber hinaus galt eine
umsatzsteuerliche Nichtaufgriffsgrenze in Höhe von jährlich 30.678 € für
gleichartige Tätigkeiten.
Neuregelung:
Die grundlegende Änderung besteht darin, dass jPöR künftig nicht mehr,
wie bislang im § 2 Abs. 3 UStG, in einem gesonderten Abschnitt innerhalb des
Umsatzsteuergesetzes behandelt werden, sondern nun die Grundregel für die
Bestimmung unternehmerischen Handelns in § 2 Abs. 1 UStG gilt. Im Grundsatz
werden jPöR also durch jede wirtschaftlich ausgeübte Tätigkeit Unternehmer,
sofern nicht in dem neuen § 2b einschränkend geregelt ist, dass dieser
Grundsatz nicht gilt.
Vereinfachend sind jPöR im umsatzsteuerlichen Sinne kein Unternehmer,
solange sie ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt auferlegte Tätigkeiten (und
eben keine privatrechtlichen Tätigkeiten) ausüben, beispielsweise, weil sie
wirtschaftliche Tätigkeiten auf Basis öffentlich-rechtlicher Regelungen ausüben.
Im Umkehrschluss heißt das, dass alle privatrechtlichen Leistungen einer
jPöR, wie sie auch von privaten Wirtschaftsteilnehmern getätigt werden,
grundsätzlich der Umsatzsteuer unterliegen.
Die Tätigkeit einer jPöR gilt trotz öffentlich-rechtlicher Grundlage als
umsatzsteuerlich relevant, falls ansonsten größere Wettbewerbsverzerrungen
eintreten würden.
Ab wann gilt die Neuregelung:
Die Neuregelung des § 2b UStG ist grundsätzlich zum 01. Januar 2016 in
Kraft getreten. Allerdings besteht zum einen eine (automatische)
Übergangsregelung für vor dem 1. Januar 2017 ausgeführte Leistungen, die
entsprechend der bisherigen Rechtslage des § 2 Abs. 3 USt G zu behandeln sind.
Im Kalenderjahr 2016 gelten die bisher bestehenden Regelungen somit
weiter. Die Neuregelung des § 2b UStG ist frühestens ab dem 01.01.2017
anzuwenden.
Übergangsvorschrift § 27 Abs. 22 UStG:
Nach § 27 Abs. 22 UStG kann die jPöR dem Finanzamt gegenüber einmalig
erklären, das sie § 2 Abs. 3 UStG in der am 31.12.2015 geltenden Fassung für
sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem 01.01.2021 ausgeführte Leistungen
weiterhin anwendet.
Diese Optionserklärung ist für sämtliche Tätigkeiten und Leistungen
einheitlich abzugeben. Eine Beschränkung auf einzelne Tätigkeitsbereiche oder
Leistungen ist nicht zulässig.
Die Optionserklärung kann nur mit Wirkung vom Beginn eines auf die
Abgabe folgenden Kalenderjahres an widerrufen werden. Nach diesem Widerruf ist
die Abgabe einer erneuten Optionserklärung ausgeschlossen
Folgen der Neuregelung / Stand der Umsetzung:
Künftig wird mit der Neuregelung der Umsatzbesteuerung eine
tätigkeitsbezogene Betrachtung in den Vordergrund rücken, bei der insbesondere
die Rechtsgrundlage sowie die Frage einer möglichen Wettbewerbsverzerrung eine
Rolle spielt.
Dazu müssen jedoch noch eine Vielzahl von Praxisfragen geklärt werden
und ein Fülle von unbestimmten Rechtsbegriffen, von denen in vielen Fällen die
umsatzsteuerliche Auswirkung abhängt, konkretisiert werden.
Dass Leistungen künftig der Umsatzsteuer unterliegen bedeutet auch, dass
Vorschriften zur Umsatzsteuerbefreiung neue Bedeutung erlangen und beachtet
werden müssen.
Das Bundesministerium der Finanzen hat den kommunalen Spitzenverbänden
einen ersten Entwurf eines BMF-Schreibens (datiert vom 28.09.2016) zu
Anwendungsfragen des § 2b UStG vorgelegt. Die kommunalen Spitzenverbände haben
mit Schreiben vom 27.10.2016 zu diesem Entwurf Stellung genommen und eine Reihe
von Änderungs- und Ergänzungsbedarfe geltend gemacht.
Wie der Landkreistag im Sonderrundschreiben S741/2016 vom 02.11.2016
anführt, widmet sich die gemeinsame Stellungnahme angesichts der Fülle von
Auslegungsfragen, die das neue Recht mit sich bringt, zunächst nur auf die
vorrangig zu klärenden grundsätzlichen Fragen. Darüber hinaus werden künftig
noch weitere detaillierte Abgrenzungsfragen zu klären sein.
Vom Landkreistag wird nach wie vor empfohlen, im Regelfall von der oben
angeführten Option nach § 27 Abs. 22 UStG Gebrauch zu machen, soweit nicht
besondere Gründe vor Ort für eine frühere Anwendung des neuen § 2b UStG
sprechen.
Für die Ausübung des Wahlrechts sprechen die Vielzahl von
Rechtsunsicherheiten und Klärungsbedarfe und die Möglichkeit, dass die
Optionserklärung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann.
Beschlussvorschlag:
Der Kreistag stimmt einer verlängerten Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG (mit Widerrufsrecht) und der Abgabe einer entsprechenden Erklärung gem. § 27 Abs. 22 UStG zu. Die Verwaltung wird beauftragt, die Optionserklärung gegenüber dem zuständigen Finanzamt abzugeben.